Minischweine

 

Allgemeines

Als Miniaturschweine werden die durch Züchtung entwickelten kleinwüchsigen Versuchsschweine bezeichnet; die in der Natur vorkommenden kleinwüchsigen Arten werden als Zwergschweine bezeichnet. (nach Georgiev et al, 1973)
Warum nun benutzt man ausgerechnet Minischweine in Versuchslabors? Menschenaffen sind nachweislich dem Menschen ähnlicher als Schweine. Menschenaffen haben aber eine sehr niedrige Reproduktionsrate. So werden z.B. Schimpansenweibchen erst in einem Alter von rund 7 Jahren geschlechtsreif und kümmern sich vier Jahre um ihr Junges.
Nager haben zwar eine hohe Reproduktionsrate und werden sehr früh geschlechtsreif, aber sie sind dem Menschen doch sehr viel weniger ähnlich, als man es von Schweinen inzwischen weiß. Neben der frühen Geschlechtsreife und relativ hohen Reproduktionsrate und der bereits erwähnten physiologischen Ähnlichkeit zum Menschen war die Hautbeschaffenheit der Schweine ebenfalls ein Kriterium, sie zu Versuchstieren zu machen. Eigens für die Kosmetikindustrie wurden Laborschweinchen gezüchtet, die rosa sind, obwohl die meisten ihren Ursprung im dunklen Hängebauchschwein haben. Gezieltes Einkreuzen von weißen, normal großen Schweinen führte zum erwünschten Ergebnis. Dass die Tiere trotzdem kleinwüchsig blieben, wurde durch starke Selektion auf Kleinwüchsigkeit erreicht, was jedoch häufig auf Kosten der Reproduktionsrate ging. Um Inzuchtfaktoren weitestgehend auszuschließen, wurde häufig das Zuchtverfahren der Rotationspaarung eingesetzt. Deren genauere Bedeutung und weitere genetische Grundlagen sind in der Fachliteratur nachzulesen und würden hier für den Hobbyhalter zu weit ausholen.
Man kann ethisch zur Versuchstierhaltung von Schweinen stehen, wie man will; Tatsache ist, dass ohne das Bestreben der Wissenschaft, kleine Schweine zu züchten, die leichter zu handhaben und kostengünstiger zu halten waren als große Schweine, es heute sicher keine Minischweine in der Hobbyhaltung gäbe. Und wer wollte darauf noch ernsthaft verzichten?


Hängebauchschwein

 

Hängebauchschweine, die Stammväter und –Mütter fast aller Minischweinrassen, sind überwiegend schieferschwarz, aber es gibt sie auch mit weißen Abzeichen. Sie sind verwandt mit dem südostasiatischen Wildschwein, dem Bindenschwein. Sie neigen zu starker Verfettung. Die Folge ist oft Blindheit durch eine zu dicke Stirnfalte, die entweder komplett über das Auge fällt oder aber das Verhältnis von oberer und unterer Lidmuskulatur verschiebt und dadurch zu einem Rolllid führt. Gerade bei dieser Rasse muss auf gutes Futter von nicht zu hoher Energiedichte geachtet werden. Hängebauchschweine brauchen in der Hobbyhaltung viel Kontakt zum Menschen, um nicht ein Leben lang relativ scheu zu bleiben. Hängebauchschweine haben eine Schulterhöhe zwischen 40 (Säue) und 50 cm und sollten nicht mehr als 50 bis 70 Kilo wiegen. In Amerika sind Hängebauchschweine inzwischen deutlich kleiner gezüchtet worden. Ihre Schulterhöhe liegt zwischen 36 und 46 cm und das Gewicht zwischen 20 und 43 Kilo.

Göttinger Minischwein

 

Am Institut für Tierzucht und Haustiergenetik der Universität Göttingen liefen im Jahre 1960 die Arbeiten zur Entwicklung eines Miniaturschweins an. Das Göttinger Miniaturschwein ist aus dem Hängebauchschwein und dem Minnesota Minipig gezüchtet worden. Das Minnesota wurde eingekreuzt, um ein Schwein zu erhalten, das freundlich und umgänglich im Wesen war. Dabei sollte die Kleinwüchsigkeit und Fruchtbarkeit des Hängebauchschweins erhalten bleiben, aber dessen Scheuheit durch den Einfluss des etwas größeren Minnesotas unterdrückt werden. Eigens für medizinische und kosmetische Versuche wurde durch das Einkreuzen der Deutschen Landrasse eine weiße Linie gezüchtet. Bunte Göttinger Minischweine sind größer als ihre hellen Verwandten. Ihre Schulterhöhe liegt bei erwachsenen Tieren durchschnittlich bei 35 cm (bunt – 38) und ihr Gewicht sollte 34 (bunt - 45) Kilo nicht überschreiten. Mit sechs Monaten wiegen Göttinger Minischweine in der bunten Linie 17 Kilo und in der weißen Linie 13,9 Kilo.
Es ist aber anzunehmen, dass die hobbymäßig gezüchteten Tiere teils wesentlich größer werden, weil sie nicht mehr nach dem strikten Prinzip der Selektion auf bestimmte Merkmale gezüchtet werden, wie es bei den kleinen Populationen im Institut möglich war. Auch gibt es kaum Aufschluss darüber, ob die Göttinger Minischweine, die im „Umlauf“ sind, überhaupt noch rein gezüchtet werden und in welchem Verwandtschaftsverhältnis sie zueinander stehen. Kaum ein Hobby-Züchter in Deutschland kennt lückenlos die Abstammung seiner Tiere. Im Phänotyp stehende Tiere brauchen längst nicht reinrassig zu sein. Dazu kommt eine oft übertriebene Fütterung aller Minischweine, so dass sich gewaltige Speckschichten entwickeln, die dann als „Übergröße“ interpretiert werden.

Münchner Miniaturschwein

Das Münchner Miniaturschwein, auch Münchner Troll genannt, wird leider kaum noch gezüchtet. Es spielt in der heutigen Hobbyhaltung keine Rolle, obwohl es bei seiner Intelligenz sicher ein exzellentes Clickerschweinchen wäre. Es ist ein wunderschönes Schwein mit liebenswerten Eigenschaften und erinnert im äußeren Erscheinungsbild an ein kleines Wildschwein. Seine Haut ist immer weiß. Es gibt jedoch neben der rötlich-braunen Färbung auch andersfarbige Tiere. Trollschweine haben keinen Hängebauch. Entstanden ist dieses hochbeinige Rasse aus dem südamerikanischen und kolumbianischen Portionssschwein und dem Hanford-Minischwein. Es erreicht eine Schulterhöhe von durchschnittlich 43 cm und ein Gewicht von 32 bis 35 Kilo.

Das Mini-LEWE-Schwein

Das Mini-LEWE wurde an der ehemaligen DDR in der Sektion Tierproduktion und Veterinärmedizin der Humboldt-Universität Berlin gezüchtet und später an die Außenstelle der Universität nach Lehnitz verlagert. Ausgangsrassen waren das Vietnamesische Hängebauchschwein, das Sattelschwein und das Deutsche Landschwein. Ziel war die Kombination der Kleinwüchsigkeit des Hängebauchschweines mit dem fettarmen Typ und der weißen Borstenfarbe des Landschweines sowie der hohen Fruchtbarkeit vom Sattelschwein“ (GREGOR u. LEUCHT, 1976). Das MINI-LEWE ist durch eine weiße Haut- und Borstenfarbe und kleine Stehohren charakterisiert. Ferner zeichnet es sich durch eine sehr gute Fruchtbarkeit und Aufzuchtleistung aus (LEUCHT et al., 1982). Die Zucht begann 1966. Im Jahr 1975 hatte die Realisierung des Zuchtzieles solche Fortschritte gemacht, dass die Population dem VEG Wendefeld als Vermehrungs- und Produktionsbetrieb für Versuchstiere übergeben werden konnte (Leucht/Gregor/Stier 1982). Aus LE nitz und WE ndefeld leitet sich der Name Mini-Lewe ab.
Das Mini-Lewe hat einen gegenüber dem Hängebauchschwein verringerten Hängebauch, kleine Stehohren und einen geraden Schwanz. Es kommt überwiegend weiß oder gescheckt vor. Schwarze Tiere sind äußerst selten. Es erreicht eine Schulterhöhe von 48 (Säue) und 51 (Eber) cm und wir 45 bis 60 Kilo schwer.

Das Berliner Miniaturschwein

Der Bestand des Berliner Miniaturschweines stellte eine kleine, in sich geschlossene Population an der Humboldt Universität dar. Das Berliner Miniaturschwein basiert auf Zuchttieren des MINI-LEWE, aus deren Bestand 1986 eine Teilpopulation aus Wendefeld übernommen wurde. (nach Grit) Es ist quasi der Nachfolger des Mini-Lewe. Der angestrebte Typ des Berliner Miniaturschweines sollte trocken mit geringem Körpergewicht, ohne Senkrücken, Hängebauch und übermäßigen Fettansatz sein (SEIFERT et al., 1992b). Außerdem wurden ein gutartiges Wesen und ruhiges Temperament, sowie eine weiße Haut- und Borstenfarbe und größere Ohren gefordert. Es erreicht eine Schulterhöhe von 50 cm und ein Gewicht von 39 Kilo.

Amerikanische Minischweinrassen

Minnesota Minipig

Das Minnesota Minipig war das erste Miniaturschwein überhaupt. Eigentlich war es nach unserem heutigen Verständnis gar kein „Minischwein“, denn es erreichte bis zu 140 Kilo Gewicht. Im Verhältnis zum normalen bäuerlichen Schwein jedoch war auch dieser Typ schon ein Zuchterfolg.
1949 startete das Zuchtprogramm an der Universität in Austin/Minnesota. Zuchtziel war ein proportional verkleinertes Schwein ohne die Veränderung der normalen physiologischen und anatomischen Verhältnisse des Hausschweins. Wilde oder verwilderte Schweine aus Regionen mit harten Lebensbedingungen bildeten die Grundlage für die Zucht des Minnesota- Minischweins. Verwendung fanden nach Rempel und Dettmers (1966):
- Guinea hogs aus Alabama (1949)
- Wildschweine von der Pazifikinsel St. Catalina (1949)
- Piney Woods aus Louisiana (1951)
- Rass-n-lansa von der Marianeninsel Guam (1957)

Diese Rassenzusammenwürfelung ergab eine große Farbenvielfalt und auch sehr große Variabilität in der Größe. Nach 16 Jahren Zuchtarbeit betrug die mittlere Körpermasse nach Rempel und Dettmers (1968) bei erwachsenen Tieren ein Gewicht von 83,9 +/- 13,4 Kilo. Mit einem halben Jahr wogen diese Schweinchen schon 25,4 +/- 13,1 Kilo. (Leucht et al. 1982) Um eine weiße Linie zu stabilisieren wurde ein Yorkshire-Eber eingesetzt, der die Farbe weiß dominant vererbte. Teile der Originalpopulation wurden 1965 mit allen Rechten zur Zucht an die Universität von Missouri, Columbia übergeben und in den frühen 70er Jahren kamen aus Satelliten-Stationen weitere dazu. Anfang der 90er Jahre wurde das gezielte Zuchtprogramm zwar beendet, aber es fand noch immer an der Universität eine Randomzucht (Zufallszucht) statt.
Ein einziges Institut und Labor übernahm 1994 alle Rechte an der Zucht von der Universität Missouri und baute die Zucht wieder nach bestimmten Kriterien weiter aus.
Minnesota Minipigs haben sich aufgrund ihrer Abschottung, aber auch ihrer stattlichen Größe in den USA nie als Heimtiere durchsetzen können.
Der alleinige Besitzer der heutigen Zucht/Vertriebs hat mir gegenüber geäußert, dass er überzeugt davon ist, dass sich keines seiner Tiere in Europa bei Hobbyhaltern befindet. Er verkauft ausschließlich an Versuchslabors. Laut seinen Angaben sind Minnesotas heute mit 6 Monaten zwischen 20 und 23 Kilo schwer und wiegen ausgewachsen rund 70 Kilo, Eber auch mehr.

Hanford Minischwein

 

Über die Entwicklung des Hanford-Miniaturschweins berichten Bustad et al. 1966, dass das Programm vorrangig das Ziel hatte, ein Minischwein mit weißer Haut- und Haarfarbe für radiologische Untersuchungen zu züchten. Aus der Paarung von 2 weißen Palouse-Jungsauen, einer Hausschweinrasse, mit einem Minischweineber der Rasse Pitman-Moore und der weiteren Verpaarung dieser Kreuzungsprodukte mit hellhäutigen Sumpfschweinen aus Louisiana ging das Hanford Minischwein hervor. Nach 7jähriger Selektion entsprach das Gewicht ausgewachsener Tiere etwa 70 Kilo. Selektionsmerkmale sind Größe und Körpermasse am 140. Lebenstag, Körperbau, Fruchtbarkeit, frühe Geschlechtsreife, Widerstandskraft gegen Umwelteinflüsse, Haut- und Haarfarbe, Haardichte und fügsames Wesen. (Leucht et ali. 1982)
Das Hanford Minischwein sieht wie ein normales Bauernhofschwein aus, nur eben sehr viel kleiner. Es hat Muttereigenschaften wie ein Wildschwein, braucht nur eine Stunde für die Geburt, hat niemals Milchmangel und ist trotz seines ansonsten angenehmen Wesens eine „Löwenmutter.“
In Versuchslabors wird es gerne für die Erforschung aller Herzerkrankungen eingesetzt, weil das Gewicht seines Herzens nahezu identisch ist mit dem menschlichen. Es wiegt mit sechs Monaten 34 bis 42 Kilo und ausgewachsen 70 bis 80 Kilo. Auch das Hanford Miniaturschwein spielt in der Hobbyhaltung Amerikas keine Rolle.

Yukatan Miniaturschwein

 

Dieses nackte, kurzschnauzige, faltige Schweinchen hat seine Heimat in Südmexiko und Zentralamerika. Es wird in Amerika gerne als Heimtier gehalten. Vermutlich liegt es nicht nur an seinem witzigen Aussehen mit den großen Steh-Kipp-Ohren, sondern auch an seinem ruhigen, freundlichen Temperament. Yukatans brauchen viel Wärme und sind für die ganzjährige Freilandhaltung nicht geeignet. Diese Tiere sind so verträglich, dass auch unkastrierte Eber dauerhaft zusammen gehalten werden können, wenn sie sich schon vor der Geschlechtsreife kennen gelernt haben.
Yukatanminischweine gibt es inzwischen in der Mikroversion. Dann wiegen sie ausgewachsen nur 55 bis 70 Kilo, die größere Variante 60 bis 90 Kilo. Sie erreichen eine Schulterhöhe von 40 (Mikro) bis über 60 cm.

Guinea Hog

Dieses Schwein ist mit den Sklaven aus Afrika in die Südstaaten der USA gekommen. Es war im Ursprung ein riesiges rötliches Schwein; wer heute vom Guinea Hog spricht, meint aber ein kleines schwarzes Schweinchen. Diese Schweine werden 25 Jahre alt und sind zwischen 35 und 56 cm groß und wiegen nur 18 bis 27 Kilo. Sie haben weder einen durchhängenden Rücken noch einen Hängebauch und einen nicht zu kurzen Nasenrücken. Sie sind lebhaft, ausgesprochen intelligent, verträglich mit anderen Haustieren und schließen sich dem Menschen sehr eng an. Sie sind bei einem der Zuchtverbände in den USA registriert und unterliegen Rassestandards.